Carte blanche für David Bielander
Der in München lebende, Schweizer Künstler David Bielander verwandelt Alltagsgegenstände in Schmuck. So werden die Einzelteile eines Stuhls zu einem Würstchencollier, Reißnägel zu Schuppen eines Kois, Einwegfeuerzeug-Kappen zu fliegenden Insekten. Seine Arbeitsweise zeugt von einer ausgeprägten Sensibilität für Gegenstände und Materialien:
Nach eigenen Worten besteht seine Tätigkeit in nichts anderem als in der „Offenbarung“ dessen, was schon da ist – das Würstchen im Stuhl, die Schuppe im Reißnagel – also gewissermaßen in der „Aufmerksamkeit“ für die Formen, die in den Dingen verborgen sind.
Zahlreiche Tiere bevölkern die Welt von David Bielander : Schlangen, Schweine, Elefanten, Nacktschnecken oder Garnelen: Dabei ist es weniger ihre Symbolik, die ihn fasziniert, sondern vielmehr der unmittelbare Erkennungseffekt, den sie beim Betrachter auslösen. Sobald seine Kreationen getragen werden, entwickeln sie durch ihre Ambivalenz und unsere Phantasie ein anderes Leben : Die Nacktschnecken-Broschen kriechen förmlich in Richtung Dekolleté, die Schlangen ringeln sich um den Nacken… Trotz der Komplexität oder ungewöhnlichen Größe der Einzelstücke handelt es sich um echten Schmuck, entworfen, um getragen zu werden. Die Stücke werden meist in kleinen Serien hergestellt, manchmal sogar in unlimitierter Auflage.
Als Student des Schweizer Schmuckkünstlers Otto Künzli, mit dem er einen aussagekräftigen konzeptuellen Ansatz teilt, verarbeitet David Bielander die Materialien mit äußerster Präzision und absoluter Freiheit zugleich. Er spielt mit Farbe und Beschaffenheit um die Illusionswirkung seiner Schmuckstücke zu erreichen. Allerdings ist die Illusion, obwohl der Begriff häufig zur Umschreibung seiner Arbeitsweise bemüht wird, nicht Selbstzweck, sondern sie entspricht vielmehr einer Art des Humors, die sowohl den Dialog als auch die persönliche Auseinandersetzung anregt.
Im mudac präsentiert David Bielander eine Werkschau seiner Arbeit seit 1996. Eine merkwürdige interaktive Maschine am Eingang stimmt auf die Ausstellung ein : Sie produziert einen perfekt ausgeformten, kleinen Ring aus Rauch, den der Besucher selber in ein käuflich erworbenes Säckchen verpackt und mitnehmen kann. Das Erleben der Diskrepanz zwischen dem, was wir sehen und dem was wir wissen (dessen Versicherung jedoch unmöglich ist, ohne die Zerstörung des Rings zu riskieren) veranschaulicht die vielfältigen Betrachtungsebenen in seinem Werk.
Ein paar Schritte davon entfernt würdigt er den Meister der allegorischen Malerei des 16. Jahrhunderts, Giuseppe Arcimboldo. Indem er das Prinzip des Assemblage-Portraits aufgreift, stellt er – gemeinsam mit dem Basler Fotografen Simon Bielander – aus Fotografien seiner Stücke ein Selbstportrait zusammen. Die tatsächlichen Schmuckstücke werden im selben Raum auch separat ausgestellt.
Eine neue Reihe aus Schmuckstücken, die Wellpappe Arbeiten, hinterfragt direkt die Wertvorstellungen, die gewöhnlich mit Schmuckmaterialien verknüpft werden. In Anlehnung an Bastelmethoden aus der Kindheit oder aus der Zeitschrift Système D baut David Bielander Armreifen und Kronen aus zusammengehefteter Wellpappe, die in Wirklichkeit aus Gold
oder Silber sind.
Diese Reihe aus Fälschungen in umgekehrter Richtung umfasst außerdem Papiertüten, wie sie zum Verpacken von Backwaren oder zum Verstecken von Alkoholflaschen in der Öffentlichkeit verwendet werden. Ein weiteres Beispiel für die Hinterfragung von Wahrheiten in den Arbeiten von David Bielander.