Schusslinie

14.03 → 26.08.2018
Vue de l'exposition 'ligne de mire'

Mit ligne de mire rich­tet das mudac sein Augen­merk auf die Welt der Feuer- oder Schuss­waf­fen, ein empfind­li­ches gesell­schaft­li­ches Sujet, das auf kriti­sche und gezielte Weise durch das Prisma des Desi­gns und des zeit­ge­nös­si­schen Kunst­schaf­fens betrach­tet wird. Die erste Ausstel­lung dieser Art in der Schweiz fragt nach unse­ren para­do­xen Bezie­hun­gen zu diesen mehr­deu­ti­gen Objek­ten, die ebenso faszi­nie­rend wie abstos­send, trieb­be­zo­gen und mörde­risch sind.

Das mudac ist ein Museum für Design, das regel­mäs­sig heme­n­ausstel­lun­gen über gesell­schafts­be­zo­ge­ne­Su­jets veran­stal­tet, die teil­weise heikel sein können. Direk­ter Appell an den Besu­cher, Über­ra­schung und vor allem das Bestre­ben, Refle­xi­o­nen auszu­lö­sen, stan­den im Zentrum mehre­rer Ausstel­lun­gen wie Cache-cache camou­flage 2002, Coup de sac. Art et design autour du sac plas­ti­que 2013, Nirvana. Les étran­ges formes du plai­sir 2015 und Sains et saufs. Surveil­ler et proté­ger au 21e siècle 2016. Das Projekt ligne de mire, das auf zwei­jäh­ri­gen Recher­chen und zahl­rei­chen Zusam­me­n­a­r­bei­ten beruht, teilt diesel­ben Ziele.
In der Konzep­tion der Feuer­waf­fen spielt der Desi­g­ner eine zentrale Rolle, und das Design hat eine ganz beson­dere Funk­ti­o­na­li­tät. Eine Waffe ist in erster Linie ein Mittel, das einem Zweck dient: Sie
ist dazu da, jeman­den oder etwas möglichst effi­zi­ent auszu­schal­ten. Sie hat zuver­läs­sig, kompakt, leicht, ergo­no­misch, daue­r­haft, manch­mal ästhe­tisch anspre­chend und immer intel­li­gen­ter zu sein. In unse­ren mehr als zwei­jäh­ri­gen Recher­chen über das Problem des leta­len Desi­gns sahen wir uns mit dem hart­nä­cki­gen Schwei­gen der Waffen­in­dus­trie konfron­tiert: Über das durch die neuen Tech­no­lo­gien bedingte Geheim­nis hinaus scheint es für die Produ­zen­ten unan­nehm­bar zu sein, über die Entwick­lun­gen der Funk­ti­o­na­li­tät einer Feuer­waffe zu spre­chen. Und auf einer allge­mei­ne­ren Ebene bleibt es häufig ein Tabu, an die Bezie­hung zwischen Design und Gewalt zu erin­nern. Andere Themen­be­rei­che sind ertrag­rei­cher in Sachen Kommu­ni­ka­tion: Probleme wie Umwelt­schutz, sozi­ale Inter­ak­ti­o­nen oder der Umgang mit Big Data sind lohnen­der als beispiels­weise die Entwick­lung einer Waffe, die, ausge­stat­tet mit künst­li­cher Intel­li­genz, imstande ist, mittels Gesichts­er­ken­nungs­sys­tem ihr Ziel zu finden und auto­nom die Entschei­dung zum Schies­sen zu tref­fen.
Eines steht fest: Schuss­waf­fen stos­sen selten auf Gleich­gül­tig­keit. Nur wenige Objekte lösen so gegen­sätz­li­che Gefühle aus, die von tiefs­ter Abnei­gung bis zu morbi­der Faszi­na­tion reichen, wobei unsere Einschät­zung oft an den sozio­kul­tu­rel­len Kontext gebun­den ist, in dem wir aufge­wach­sen sind. Wie auch immer unser Urteil ausfällt, die Waffe kolo­ni­siert unse­ren Alltag und unsere Fanta­sie durch zahl­lose Bilder und Darstel­lun­gen, ob es sich nun um Medien, Filme oder Alltags­ob­jekte handelt. Abwech­selnd ist sie Kriegs­ge­rät, indi­vi­du­el­ler oder kollek­ti­ver Aggres­si­ons­me­cha­nis­mus, Symbol für Macht und Gewalt, ille­ga­les Handel­s­ob­jekt, Produkt von Paral­lel­wirt­schaf­ten, aber auch Deko­ra­ti­ons­ele­ment. Als Bild­mo­tiv agiert sie wie ein Zeichen, das an unsere vergäng­li­che Gegen­wart und unsere Hinfäl­lig­keit erin­nert.
Die Ausstel­lung ist in mehrere Abtei­lun­gen geglie­dert, deren Titel sich eigens auf das Wort­feld der Waffen bezie­hen, und deren Themen von der Wieder­a­n­eig­nung der legen­dä­ren AK-47 (Kalasch­ni­kow) durch Desi­g­ner und Künst­ler bis zu Arbei­ten reichen, in denen die verschie­de­nen Bestand­teile der Feuer­waf­fen auf über­ra­schende, spek­ta­ku­läre und enga­gierte Weise wieder­ver­wen­det werden. In der Ausein­an­der­set­zung mit Mate­rien, Formen und Genres regt Schuss­li­nie dazu an, sich vertieft mit einem wich­ti­gen und komple­xen Gesell­schaft­sphä­no­men zu beschäf­ti­gen. Sie wird von einer zwei­spra­chi­gen Broschüre beglei­tet, die zu jedem Werk nähere Anga­ben liefert und es in seinen Kontext einbet­tet.
Den Abschluss des Ausstel­lungs­pa­r­cours bildet ein Auskunfts­raum, der in Part­ner­schaft mit der NGO Small Arms Survey konzi­piert wurde. Diese Genfer Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion sammelt Anga­ben über die Zirku­la­tion von Klein­waf­fen und die Waffen­ge­walt auf inter­na­ti­o­na­ler Ebene.
Die Szeno­gra­fie wurde von dem Lausan­ner Archi­tek­tur­büro T-Rex & Cute Cut entwor­fen, während Aurèle Sack, Dozen­tin an der ECAL, für die Grafik verant­wort­lich zeich­net. Ein reich illus­trier­ter, zwei­spra­chi­ger
Kata­log (F/E) mit Text­bei­trä­gen von Fach­leu­ten, die das Thema aus anthro­po­lo­gi­scher, kunst­his­to­ri­sche­rund natur­wis­sen­schaft­li­cher Sicht behan­deln, erscheint anläss­lich der Ausstel­lung.

Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'
Vue de l'exposition 'ligne de mire'