Mirror Mirror (SPIEGLEIN SPIEGLEIN)

31.05 → 01.10.2017

Wie zahl­rei­che Theo­rien behaup­ten, wird die Gegen­wart durch die Herr­schaft der Bilder bestimmt. Para­do­xer­weise war es jedoch für jede und jeden von uns nie schwie­ri­ger, Bilder zu lesen, zu analy­sie­ren und zu deuten. Die Geschwin­dig­keit ihrer Verbrei­tung, insbe­son­dere durch die neuen Tech­no­lo­gien, scheint umge­kehrt propor­ti­o­nal zu sein zu unse­rer Fähig­keit, sie in ihrer Komple­xi­tät zu erfas­sen.
Ein eng mit dem Bild verknüpf­tes Objekt, das die Zeiten über­dau­ert hat und in verschie­de­nen Schaf­fens­gat­tun­gen – von der Kunst bis zur Lite­ra­tur und von den neuen Medien bis zum Design – vorkommt, ist der Spie­gel: ein Gegen­stand mit skopi­scher Funk­tion, der aber auch eine starke symbo­li­sche Konno­ta­tion besitzt. So ist er mit Mythen unter­schied­li­cher Kultu­ren verknüpft und nimmt als wesent­li­ches Struk­tu­r­ele­ment während des soge­nann­ten Spie­gel­sta­di­ums einen wich­ti­gen Platz im psycho­ana­ly­ti­schen Diskurs ein. Zwischen Wieder­er­kennt­nis und Illu­sion, Konstruk­tion des Ichs und Bestä­ti­gung der Iden­ti­tät beant­wor­tet der Spie­gel stets auf die eine oder andere Weise die Frage : Wer bin ich?

Mit der gemein­sa­men Präsen­ta­tion von Kunst­wer­ken und Desi­gnstü­cken sucht Miroir Miroir die Bezie­hung zu ergrün­den, die wir zu unse­rem eige­nen Bild und zu der Weise unter­hal­ten, in der dieses Bild das zeit­ge­nös­si­sche Kunst­schaf­fen prägt. Fünf­zig Jahre nach den fünf­zehn Minu­ten Welt­be­rühmt­heit, die Andy Warhol 1968 verkün­det hatte, dröhnt diese Vorher­sage immer noch laut­stark nach. Die Wege des Ruhms bestim­men zahl­rei­che Lebens­ent­würfe von den Jugend­li­chen bis zu den Vier­zig­jäh­ri­gen, und noch nie war der Wunsch, «jemand» zu werden, so stark und so akzep­tiert. Die nach­ah­mens­wer­ten Vorbil­der mehren sich in den Medien und den Küns­ten wie in neuen, von der medi­a­len Formel der Tele­re­a­li­tät abge­lei­te­ten Formen – wunder­bar veran­schau­licht durch den Erfolg einer Persön­lich­keit wie Kim Karda­shian.
Von Narziss bis zu den spre­chen­den Spie­geln der Märchen, von Eitel­keits­pro­ble­men bis zu der Möglich­keit eines verviel­fach­ten Raums setzt sich die Ausstel­lung Miroir Miroir eben­falls mit dem Begriff des blin­den oder schwa­r­zen Spie­gels ausein­an­der. Die Zaube­rei ist nicht fern, wenn man an die Mani­pu­la­tion der Spie­ge­lung denkt und an die in den neues­ten Objek­ten häufig an vorders­ter Stelle stehende Tech­no­lo­gie: Entma­te­ri­a­li­sie­rung des Bilds, Verzer­rung oder Ausblen­dung, Erfas­sung des Spie­gel­bilds. Von den Märchen bis zu den heuti­gen Selfie-Ritu­a­len loten die ausge­stell­ten Stücke in einer eigens für die Räume des mudac geschaf­fe­nen Szeno­gra­fie die theo­re­ti­schen, sozio­lo­gi­schen, ästhe­ti­schen, histo­ri­schen und aktu­el­len Frage­stel­lun­gen eines Objekts aus, das uns in unse­rem Alltag beglei­tet.