Mirror Mirror (SPIEGLEIN SPIEGLEIN)
Wie zahlreiche Theorien behaupten, wird die Gegenwart durch die Herrschaft der Bilder bestimmt. Paradoxerweise war es jedoch für jede und jeden von uns nie schwieriger, Bilder zu lesen, zu analysieren und zu deuten. Die Geschwindigkeit ihrer Verbreitung, insbesondere durch die neuen Technologien, scheint umgekehrt proportional zu sein zu unserer Fähigkeit, sie in ihrer Komplexität zu erfassen.
Ein eng mit dem Bild verknüpftes Objekt, das die Zeiten überdauert hat und in verschiedenen Schaffensgattungen – von der Kunst bis zur Literatur und von den neuen Medien bis zum Design – vorkommt, ist der Spiegel: ein Gegenstand mit skopischer Funktion, der aber auch eine starke symbolische Konnotation besitzt. So ist er mit Mythen unterschiedlicher Kulturen verknüpft und nimmt als wesentliches Strukturelement während des sogenannten Spiegelstadiums einen wichtigen Platz im psychoanalytischen Diskurs ein. Zwischen Wiedererkenntnis und Illusion, Konstruktion des Ichs und Bestätigung der Identität beantwortet der Spiegel stets auf die eine oder andere Weise die Frage : Wer bin ich?
Mit der gemeinsamen Präsentation von Kunstwerken und Designstücken sucht Miroir Miroir die Beziehung zu ergründen, die wir zu unserem eigenen Bild und zu der Weise unterhalten, in der dieses Bild das zeitgenössische Kunstschaffen prägt. Fünfzig Jahre nach den fünfzehn Minuten Weltberühmtheit, die Andy Warhol 1968 verkündet hatte, dröhnt diese Vorhersage immer noch lautstark nach. Die Wege des Ruhms bestimmen zahlreiche Lebensentwürfe von den Jugendlichen bis zu den Vierzigjährigen, und noch nie war der Wunsch, «jemand» zu werden, so stark und so akzeptiert. Die nachahmenswerten Vorbilder mehren sich in den Medien und den Künsten wie in neuen, von der medialen Formel der Telerealität abgeleiteten Formen – wunderbar veranschaulicht durch den Erfolg einer Persönlichkeit wie Kim Kardashian.
Von Narziss bis zu den sprechenden Spiegeln der Märchen, von Eitelkeitsproblemen bis zu der Möglichkeit eines vervielfachten Raums setzt sich die Ausstellung Miroir Miroir ebenfalls mit dem Begriff des blinden oder schwarzen Spiegels auseinander. Die Zauberei ist nicht fern, wenn man an die Manipulation der Spiegelung denkt und an die in den neuesten Objekten häufig an vorderster Stelle stehende Technologie: Entmaterialisierung des Bilds, Verzerrung oder Ausblendung, Erfassung des Spiegelbilds. Von den Märchen bis zu den heutigen Selfie-Ritualen loten die ausgestellten Stücke in einer eigens für die Räume des mudac geschaffenen Szenografie die theoretischen, soziologischen, ästhetischen, historischen und aktuellen Fragestellungen eines Objekts aus, das uns in unserem Alltag begleitet.